Besuch bei Familie Dörig - Zunft zum Grimmen Löwen, Diessenhofen

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Besuch bei Familie Dörig

Impressionen > 2024
Bericht vom Besuch bei der Familie Dörig in der Domäne St. Katharinental Diessenhofen
am 6. Juni 2024
Von konventionell oder Bio zu Kreislauf – und Wetter ist Bauern
Nadine und Urban Dörig bewirtschaften die rund 100 Hektaren mit den Ideen einer natürlichen Kreislauf-Wirtschaft. Sie empfangen und bewirten uns mit Ihrer beispielhaften Gastfreundlichkeit! Nach der überaus interessanten und lehrreichen Beschreibung des Bewirtschaftungs-Systems ihres Landwirtschaftsbetriebs geniessen wir eine feine Grillade mit allen dazugehörenden Zutaten und Weinen aus dem Keller unseres Zunftherrn Thomas Schmid.
Die Domäne St. Katharinental ist einer von drei Landwirtschaftsbetrieben die dem Kanton Thurgau gehören. Vor 40 Jahren ist der Ökonomieteil des ehemaligen Klosters abgebrannt und wurde dann etwas oberhalb des Areals mit heute optimalen Verhältnissen, neu gebaut. So konnte auch die Landwirtschaft von der Klinik ideal entflochten werden. Vor acht Jahren hat Urban Dörig einen privat organisierten „Bodenkurs“ besucht und dabei – wie er sagt – die alte Brille durch eine Neue ausgetauscht. Der Natur nicht befehlen, sondern mit ihr zusammenarbeiten.
Seit jeher kennt der Betrieb vorwiegend Ackerbau. Auch wenn die durchschnittliche Niederschlagsmenge unter dem Thurgauer Durchschnitt (800 Liter p.a.) liegt, passen die sandigen Böden bestens dazu. Auf 75 Hektaren wird u.a. Saatgut für Weizen und Hafer angepflanzt. Saatgutproduktion heisst u.a. sorgfältige Fruchtfolge und viel Handarbeit. Von Hand müssen fremde Pflanzen aus den Getreidefeldern entfernt werden. Gezielte Untersaat liefert u.a. Stickstoff, womit dann auch Dünger eingespart werden können. Damit auch bei den Kartoffeln eine biologische Kultur gewährleistet, und gerade in Jahren wie diesem die aufwändige Bekämpfung von Krautfäule reduziert werden kann, hat der Betriebsleiter von Pommes-Frites auf Frühkartoffeln unter Folien umgestellt. Die leichten Böden sind prädestiniert dafür. Mit Luzerne in der Fruchtfolge werden die Böden geschont und tief durchwurzelt, die geerntete Frucht wird an Biobauern als Eiweiss-Futtermittel verkauft.
Zum Thema Boden: Bei uns können normalerweise etwa 3 Kühe pro Hektare gefüttert werden, über ein Jahr. Das entspricht bei einem Lebendgewicht von gut 600 kg pro Kuh also rund 2000 kg Biomasse. Dem stehen in einem gesunden, belebten Boden rund 10 x mehr, also bis zu 20 Tonnen Biomasse (Bodenleben/Mikroorganismen etc.) gegenüber. So wie die Kühe auf dem Boden, wollen auch die „Kühe“ im Boden gefüttert werden. Dies geschieht über Wurzelausscheidungen von lebenden, vegetativen Pflanzen. Sie spalten über Photosynthese und mit der Energie der Sonne das CO2 aus der Luft in Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasser auf. Somit ist das in der heutigen Meinung vermeintlich schädliche CO2 eigentlich der wichtigste Dünger für unsere Pflanzen. Das C, der Kohlenstoff wird nämlich in der Pflanze u.a. zu Zucker umgewandelt. Diese sind wertvolle Nahrung für das Bodenleben, die den Pflanzen im Tausch dafür die verschiedenen Nährstoffe zur Verfügung stellen. Die Wichtigkeit von O, dem Sauerstoff ist hinlänglich bekannt. Somit ist das CO2 nicht einfach schlecht. Es ist in der heutigen Zeit und durch unsere Art, wie wir als Gesellschaft unterwegs sind, leider oft nur in falscher Menge am falschen Ort.
Die Funktion der Wiederkäuer ist mehr als nur Fleisch, oder Milch zu produzieren. Sie sind für die Umsetzung von Grünmasse unverzichtbar. Als langjähriger Präsident von SwissAngus (2011 – 2023) dürfen darum neben Schafen im Winter natürlich auch rund 30 Angusrinder auf dem Hof nicht fehlen. Sie wandeln das wachsende Grün einfach so wieder in pflanzenverfügbare Nährstoffe um und halten die Natur vegetativ für maximale Photosynthese. Somit stehen die wirklich grossen Fotovoltaikanlagen eigentlich auf unseren Feldern, wenn sie denn bewachsen sind, und nicht auf unseren Dächern. Und auch für „Batterien“, die wir technisch so mühsam suchen, hat unsere Natur gesorgt. Die Energie der Sonne kann durch den Kohlenstoff als Humus und mit aktivem Bodenleben ganz natürlich gespeichert werden und steht dann für die nächste Kultur wieder als Reserve zur Verfügung. All das geschieht zudem gratis, ganz unspektakulär, nur mit grünen Pflanzen in möglichst hoher Vielfalt.
Nicht einfach Biodiversität, sondern „funktionelle Biodiversität“. Das heisst u. a. Schädlinge durch Nützlinge bekämpfen, dazu braucht es ein geeignetes Umfeld. Genügend grosse und diversifizierte Oekostreifen und Brachen, mit Hecken und Büschen bieten darüber hinaus den Rehen und Kitzen Unterkunft und Schutz. Diese Rückzugsflächen wurden auf der Domäne St. Katharinental als Netz über den ganzen Betrieb gelegt. Ziel ist es, die Biodiversität zu fördern und füttern. Der erhoffte Nutzen davon soll ein Gleichgewicht sein mit weniger Schädlingsbefall an den Kulturen.
rund 30 Angusrinder auf dem Hof wandeln das wachsende Grün einfach so wieder in pflanzenverfügbare Nährstoffe um und halten die Natur vegetativ für maximale Photosynthese.
Es gebe noch ein grosses Potenzial an neuem Wissen über zukünftige Landwirtschaft, vor allem aber auch an Möglichkeiten, das bestehende Wissen wirkungsvoll in die Praxis zu bringen. Da seien die Forschungsanstalten und die Landwirtschaftlichen Schulen gefordert. Umstellung in der Bewirtschaftungsweise ist Investition! Mit den dadurch erreichten, besseren Gleichgewichten im gesamten Nährstoff- und Wasserhaushalt können längerfristig die gleichen ökonomischen Erfolge erreicht werden. Vor 40 Jahren arbeiteten neben dem Betriebsleiter acht Mitarbeitende auf dem Hof, heute sind es neben dem Ehepaar Dörig ein Lehrling und 1 Mitarbeiter vom Frühling bis zu Herbst. Der älteste Sohn der Betriebsleiter Familie hat Schreiner gelernt. Der zweite Sohn bildet sich zurzeit als Landwirt aus und der dritte beginnt im Sommer die Lehre als Landmaschinenmechaniker. Die nächste Generation stehe also in den Startlöchern.
Gesunde Böden – gesunde Pflanzen – gesunde Tiere = gesunde Menschen! Die neue Art der Bewirtschaftung, die oft dem Wissen unserer Grossväter entstammt, mache Freude. Seit er die neue Brille trage, „arbeite“ er nicht mehr, er „lebe“– so Urban Dörig.

Diessenhofen, 10. Juni 2024,  Text:  Zunftschreiber und Urban Dörig.
Funktionale Oekostreifen nähren den Boden und schaffen ein Gleichgewicht zwischen Nährstoffen und Feuchtigkeit.
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