Familie Brunner
Schon seit Generationen begleitet das Geschlecht Brunner unsere Zunftgeschichte. Diessenhofen und Schaffhausen waren im 18. und 19. Jahrhundert eine Hochburg der Medizin. Die Familie Brunner entfaltete sich zu einem äusserst wichtigen Mediziner- und Apothekergeschlecht. Die Apothekerlinie besass das Haus zum Goldenen Löwen und die Ärztefamilie Brunner kaufte 1785 den Unterhof.
Bilder aus der nachgebildeten Apotheke im Haus zum Goldenen Löwen in Diessenhofen
Wegen seines reformierten Glaubens verliess 1572 Gérard des Ayons (gestorben 1610) Antey im Aostatal und zog nach Diessenhofen, wo er den Namen Erhart Brunner annahm (nach einem 1554 dort ausgestorbenen Geschlecht) und 1578 eingebürgert wurde. Bereits mit seinem Sohn Erhart (1576-1647) stellte die Familie den ersten von insgesamt fünf Stadtvorstehern (vor 1798 vier Schultheissen, danach einen Stadtammann). Etliche Brunner sassen im Rat oder hatten städtische Ämter inne. Die Familie brachte bis ins 20. Jh. in direkter Linie vier Apotheker hervor, die alle auch bedeutende Botaniker waren, sowie mind. zwanzig Operatoren und Ärzte. Erfolgreich waren namentlich die Söhne von Johann Conrad, Erhart (1682-1721) als Prof. der Medizin in Heidelberg, Johann Jakob (1693-1765) als Amtsphysikus in Neustadt (Pfalz), Johann Ulrich (1686-1752) zuletzt als kurfürstl.-pfälz. Regierungsrat. Einer andern Linie gehörten Erhart (1678-1728) und dessen Sohn Daniel Erhart (1707-70) an, Amtsphysikusse in Solingen. Die seit 1784 im Diessenhofer Unterhof wohnhafte Linie brachte mit Johannes dem Älteren (1786-1842) und Johannes dem Jüngeren (1815-90) zwei Augenärzte und kant. Sanitätsräte hervor. Letzterer, Vater von Conrad , war auch Bezirksstatthalter und, wie später sein Sohn Hans (1855-1920), Direktor des thurgauischen Kranken- und Greisenasyls St. Katharinental. Friedrich (1858-1940) amtete 1887-1925 als innovativer Chefarzt des Neumünsters Zürich; sein "Grundriss der Krankenpflege" (1900) erlebte 24 Auflagen. Sein Neffe Alfred war ein bedeutender Chirurg.
Erhart Brunner „uss dem Augstal uff Georgij anno 1578, am 23. April" ist laut Bürgerrodel von 1606 „zu einem Buerger uf und angnomen worden'" (Friedrich Brunner).
Er hatte 2 Söhne: Erhard II (Schultheiss in Diessenhofen) und Jonas Erhart II (in der Treu) 1610 - 1674, Schultheiss, hatte 3 Söhne, für unsere Geschichte besonders bedeutend ist Dr. Hans Conrad Baron Brunn von Hammerstein (1653 - 1727).
Johann Conrad Brunner, geboren 16.1.1653 Diessenhofen, gestorben 2.10.1727 Mannheim (Baden, D), ref., von Diessenhofen. Sohn des Erhard, Schultheissen von Diessenhofen, und der Verena Hausmann. ∞ 1678 Maria Magdalena Wepfer, Tochter des Johann Jakob Wepfer, von Schaffhausen. Schulen in Diessenhofen und Schaffhausen, 1669 Medizinstudium in Strassburg. Studienreisen nach Paris, London, Oxford und Leiden. 1675 Dr. med. in Strassburg, danach Arzt in Diessenhofen. 1685 stand B. zusammen mit seinem Schwiegervater am Krankenbett des Kurfürsten Karl II. von der Pfalz. 1686 wurde er Prof. der Anatomie an der Univ. Heidelberg. Während des Pfälz. Erbfolgekriegs (1688-95) hielt er sich in Diessenhofen auf. Es folgten Konsultationsreisen an zahlreiche Höfe, 1692 die Ernennung zum Geheimen Rat und Leibarzt des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz in Düsseldorf und Weinheim (Baden, D). Trotz häufiger Abwesenheit versah Brunner weiterhin seine Professur in Heidelberg, wo er gegen den Einfluss der Jesuiten und für den Cartesianismus eintrat. Mit dem Kurfürsten Karl Philipp von der Pfalz weilte er ab 1716 in Innsbruck, Heidelberg und ab 1720 in Mannheim. 1685 wurde er Mitglied der Kaiserlichen Naturforscher-Akademie (Beiname Herophilus). 1711 folgte die Erhebung in den Adelsstand durch Johann Wilhelm, Kaiser Josef I. ("von Brunn zu Hammerstein"), 1720 die Verleihung des Burgerrechts von Schaffhausen. Brunner's wissenschaftliche Verdienste betreffen Bau und Funktion der Verdauungsorgane. Die nach experimenteller Entfernung der Bauchspeicheldrüse bei Hunden (1673-89) von Brunner genau aufgezeichneten Folgen wurden später als Pankreas-Diabetes erkannt. In der Anatomie knüpft sich Brunners Name mit der Entdeckung der Brunner Drüsen des Zwölffingerdarms (Dünndarmdrüsen - Glandulae duodenales), die er 1687 ausführlich beschrieb.
Erhart Brunner, Dez. 1682 - 1721 Sohn von Johann Conrad
1706 in Pisa, wo er die Gewogenheit des Grossherzogs von Toskana genoss, 1707 in Florenz, 1707 in Rom und Padua, Dann Lehrer an der Hochschule zu Heidelberg und
Leibarzt und Hofrat beim Landgrafen von Hessenkassel.
Dr. Johannes Brunner (im Klösterli) 1719 - 1800, Schultheiss, der in Zürich und Basel studierte, 1767 Rechenrat, 1785 Seckelmeister und von 1787 bis 1798 Schultheiss in Diessenhofen war, kaufte 1784 seinem Sohn, Postsekretär Johann (In Schaffhausen), verheiratet mit einer reichen Schaffhauserin aus dem adeligen Geschlecht der Peier-Im Hof, den Unterhof in Diessenhofen. Daraus entwickelte sich dann der Stamm der „Unterhöfler Brunner" welche die Aerzte-Dynastie fortsetzte.
Jonas Brunner V sein Neffe begründete den Stamm der Apothekerdynastie Brunner.
Johann Conrad von Brunn, 1723 Dissertation "Über das Blut", Stadtphysikus zu Diessenhofen, zog 1730 nach Schaffhausen, wo seine Mutter Magdalena geborene Wepfer, 1730 das Haus "Zur Freudenquelle" (heutiges Stadthaus) erwarb. Im gleichen Jahr ehelichte er Judith Stokar von Neunforn, Pietistin; die mit Johann Caspar Lavater eine Freundschaft pflegte, die in einem regen Briefwechsel dokumentiert ist. Lavater bezeugte "seiner lieben Mama Brunn" wiederholt seine Dankbarkeit und schuf ihr ein bleibendes Denkmal in "seinen physiognomischen Fragmenten" wo er ihr im Kapitel über religiöse Personen einen Abschnitt widmete.
Johannes Brunner (21.3.1808 -15.2.1895), Zunftmeister von 1844 bis 1869, auf seinen Erinnerungen beruhen sozusagen alle unsere Kenntnisse über die Zunftgeschichte. Die Zunft wurde ab 1803 von seinem Vater, dann von ihm selbst und danach bis 1875 von seinem Onkel geführt. Er hatte Zugriff auf alle Quellen und viel selbst erlebt. Der Hauptteil der "Erinnerungen" wurden in einer 1861 erschienenen und vom Diessenhofer Bürger J. Huber in Frauenfeld gedruckten Broschüre publiziert.
Conrad Brunner, 31.8.1859 Diessenhofen, 8.6.1927 Zürich, ref., von Diessenhofen. Sohn des Johannes, Arztes und Botanikers, aus einer Ärzte- und Apothekerfam. ∞ 1889 Clara Margot. 1885 Dr. med. in Zürich. Chirurgische Ausbildung v.a. bei Rudolf Ulrich Krönlein. 1889 Privatpraxis in Zürich, 1890-97 PD für Chirurgie an der Univ. Zürich. 1896-1922 Chefarzt des Kantonsspitals Münsterlingen. 1921 erhielt B. für sein "Handbuch der Wundbehandlung" (1916) den erstmals verliehenen Marcel-Benoist-Preis, 1922 für seine medizinhist. Forschungen den Dr. phil. h.c. der Univ. Zürich. 1922 Mitbegründer des Thurg.-schaffhaus. Lungensanatoriums in Davos.
Alfred Brunner, 30.8.1890 Diessenhofen, 17.8.1972 Zürich, ref., von Diessenhofen. Sohn des Alfred, Chemikers. ∞ Hildegard Döderlein, Tochter des Albert, Gynäkologen. Kantonsschule Schaffhausen, Medizinstud. in Zürich, Lausanne, Berlin, Wien und München. Unter Ferdinand Sauerbruch 1915-18 Assistent in Zürich, 1918-26 Oberarzt in München. 1923 Habilitation in München mit der bahnbrechenden Monografie "Die chirurg. Behandlung der Lungentuberkulose" (1924). Als Chefarzt der chirurg. Abteilung des Spitals St. Gallen 1926-41 entwickelte B. eine verbesserte Rippenschere (1930) und eine Drahtspannzange (1933). 1941-61 war er o. Prof. und Direktor der chirurg. Universitätsklinik Zürich. Der Pionier der Thoraxchirurgie war Ehrenmitglied zahlreicher chirurg. Fachgesellschaften und Mitglied der Dt. Akad. der Naturforscher Leopoldina. Quelle: Historisches Lexikon der Schweiz und Zunftanthologie Urs Roesch