Essen und Trinken
Das Zunftessen im 18. Jahrhundert
Einer der Glanzpunkte des Jahres bildete, wie auch heute noch, das Bächtelen, das heutige Zunftessen, das sich aber nur in Zeiten der Not auf einen Tag beschränkte. In der Regel wurden zwei Tage dazu genommen, und zwar wurde mittags und abends tüchtig gezecht und gegessen, wobei jeweils aus dem Zunftgut beigesteuert wurde. Es ist da wohl in erster Linie an den Wein zu denken, der im Zunftkeller lagerte. Denn die Zunft beschaffte den Wein selber, und zwar wurde in guten Weinjahren besonders viel eingekauft. Natürlich handelte es sich ausschliesslich um einheimisches Gewächs, war doch bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts jenseits des Rheins die ganze Halde von der Laag bis gegen Obergailingen mit Reben bepflanzt, die grossenteils in Diessenhofer Besitz waren. Dazu kamen noch die Reben in der Hutzlen und am Breitenweg, für die das heutige Wohnhaus von Zimmermeister Ott Senior als Trotte diente. Auch im untern Turmgeschoss des Unterhofs, dem Sitz der Truchsessen, befand sich ein mächtiger Trottbaum. Wie wir also sehen, spielten Essen und Trinken bei unsern ehrsamen Vorfahren keine geringe Rolle.
Die Speisezettel dürften recht üppig gewesen sein, musste doch der Vierer immer wieder mahnen, dass das Einstecken verboten sei. Die weiten Mäntel mit den grossen Taschen mit denen die Zünfter zu den Gelagen kamen, nannte man denn auch „Gratisrock". So wird 1753 der Beschluss gefasst, es habe sich jeder mit Stock und Degen beim Zunftmahl einzufinden, 1776 wurde das Einstecken sogar mit Verlust des Zunftrechtes auf 3 Jahre bestraft, doch beschloss die Zunft schon im nächsten Jahr, „man solle traktieren wie vor einem Jahr, von dem übrigbleibenden Gebratenen soll jedoch ein Jeder seine Portion einstecken dürfen. So ein Berchteli-Menu umfasste sowohl zu Mittag wie zu Abend Suppe, Salat, meistens 2 verschiedene Fleischarten, Gemüse und Kartoffeln. Immer wieder wurde diskutiert, ob auch Gans, Hasenbraten, Zunge, Kopf und Füssli aufgestellt werden sollten oder nur „was die Metzg gibt".
Vom Zunftessen haben wir gehört, dass es auf zwei Tage ausgedehnt wurde, wenn nicht Notzeiten zur Beschränkung auf einen Tag zwangen. Manchmal fiel es dann auch ganz weg. Unter diesen "Notzeiten" hat man sich im allgemeinen schlechte Weinjahre vorzustellen. Der Ausfall des Weinjahres beeinflusste auch den Speisezettel am Zunftessen. So gab es nach unserer Chronik am Bächtelistag 1729 "wegen schlechten Zeiten nur Braten, Hammenstotzen und Salat".
Bild links: Der Ausschnitt aus der Wappenscheibe der Grimmen Löwen zeigt ein Zunftessen nach alter Sitte. Der Zünfter im Bild hinten links zeigt sein leeres erstes Glas, dass er wie es früher Brauch war, in einem Zuge leer getrunken hat.
Für den Bächtelistag 1756 wurde dagegen folgender Speisezettel aufgestellt:
Zu Mittag: eine Suppe, frisch Rindfleisch nebst Kohl, geräuchertes Rindfleisch und kälbernes Voressen.
Zu Nacht: Kälbernes und Schweinernes, sauer gebraten, nebst Salat.
Im Frühjahr 1761 wurden Felder und Weinberge von schwerem Hagel betroffen, weshalb der Bärtelistag 1762 nicht gefeiert wurde. Auch in diesem Jahr gab es sehr wenig Wein, und dabei noch sauern. "Dennoch", so heisst es in der Chronik, "wurde einmütig erkannt, den Bärchtelistag 1763 zu zelebrieren". Dem Stubenknecht wurde gleichzeitig seine Hausmiete um 2 Gulden erhöht und auf 8 Gulden gestellt. 1771 bis 1775 waren böse Zeiten. Die Lebensmittel waren alle sehr teuer, und bis zum Jahre 1776 fand keine Gasterei mehr statt, dagegen wurden jedem Zünftler in diesen Jahren 5 Gulden am Stephansbot ausgezahlt. 1776 scheinen wieder bessere Zeitumstände bestanden zu haben und daher zum erstenmal wieder ein Zunftessen mit Mittags- und Abendmenü abgehalten. Es scheint, dass sich damals die Sitte oder Unsitte eingeschlichen hatte, dass die Zunftmitglieder vom aufgetischten Essen jeweils ihrer Eheliebsten etwas mit nach Hause brachten. Offenbar haben einzelne dabei das vertretbare Mass überschritten. In diesem Jahr wurde nämlich bestimmt, dass das Einstecken gänzlich verboten sei, bei Verlust des Zunftrechts auf drei Jahre, doch war schon im folgenden Jahr dieses Verbot in Vergessenheit geraten, und es durfte von neuem eingesteckt werden. In den nächsten Jahren wurde wieder fröhlich gefestet, dagegen für 1783 Gans und Hasen aberkannt und nur was die Metzg gibt, zu essen beschlossen. Auch sollen tigene Zungen, Kopf und Füessli aufgestellt werden." 1790 und 1791 wurde ein Tag gebächtelt. Doch wurde im November letztgenannten Jahres beschlossen, desweilen uns der gnädige Gott ein gesegnetes Jahr geschenkt, so wolle man auch wieder einmal nach altem Gebrauch zwei Tage sich miteinander in Frieden und Vergnügen, auch in bürgerlicher Eintracht lustig machen."
Quelle: Zunftanthologie Urs Roesch, Notizen Hermann Sieber